"Es geht um unsere Zukunft": Jugendbeteiligung in der Endlagersuche - mehr als hübsches Beiwerk

Ich-Protokoll

Marcus Frenzel studiert „Management und Endlagerung radioaktiver Abfälle“ an der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld. Abseits des Hörsaals engagiert er sich ganz praktisch für die Endlagerung von Atommüll: Er begleitet das Standortauswahlverfahren und ist Teil der jungen Generation. Was motiviert ihn? Ein Ich-Protokoll, aufgezeichnet von Mareike Andert.

Marcus Frenzel

In meinem Umfeld wissen viele, dass ich mich in der Endlagersuche engagiere. Die meisten wollen sich damit aber nicht weiter auseinandersetzen. Als im Juli 2021 Teile meiner Heimat in Sachsen Modellgebiet wurden, um Methoden für die Endlagerung zu entwickeln, war der Aufschrei dann plötzlich groß. Auf einmal war das Thema präsent. Die Menschen haben sich überfahren gefühlt und wollten nichts mit dem Atommüll zu tun haben. Zu diesem Zeitpunkt habe ich konkret gemerkt, wie wichtig es ist, die Bevölkerung einzubinden, damit solche Reaktionen vermieden werden.

Wie groß wird der Aufschrei in der Gesellschaft sein, wenn der Ort für ein Endlager feststeht?

Können die Menschen dann abgeholt werden? Ist die Entscheidung mehrheitsfähig? Ich möchte dazu beitragen, dass diese Entscheidung partizipativ errungen und somit eine möglichst große Akzeptanz erreicht wird. Nun muss der Grundstein gelegt werden für Vertrauen und dafür, dass im Suchprozess wissenschaftlich vorgegangen wird. Es ist keine Frage von Ost oder West, Nord oder Süd, Alt oder Jung, sondern es geht um den bestmöglichen Standort für alle jetzigen sowie zukünftigen Bürger:innen. Momentan sind 54 Prozent Deutschlands möglicher Endlagerort. Das ist für die meisten Menschen weit weg, kein fassbares Problem. Wenn die Gebiete weiter eingegrenzt und Regionalkonferenzen eingerichtet werden, dann steigt das Interesse in der Bevölkerung. Wenn bis dahin nicht gut vorgearbeitet wurde, besteht die Gefahr, dass der Prozess scheitert.  

Noch stehen wir ganz am Anfang. Einen Ort für ein Endlager zu finden, ist das eine, es zu bauen und zu verschließen das andere. Bis das vollständig abgeschlossen ist, lebe ich wahrscheinlich nicht mehr. Der Hauptteil des Weges wird also noch kommen und den müssen die jetzige Jugend und ihre Kinder bewältigen.

Wir Jungen stehen nicht nur für die jetzige Jugend, sondern für alle kommenden Menschen, die kaum bzw. nie von dieser Energieform profitiert haben. 

Deshalb ist es so wichtig, dass sich junge Menschen am Prozess beteiligen und dass ihre Interessen und die der folgenden Generationen ernst genommen werden. Wir und unsere Kindeskinder müssen die jetzigen Entscheidungen mittragen. Das ist der entscheidende Punkt! Ich will vorsorgen, dass wir beteiligt werden und spätere Generationen sagen: “Ja, wir wurden berücksichtigt, das war transparent und wir haben Vertrauen.” Wenn junge Leute nicht mit einbezogen werden, dann wird das nicht der Fall sein. Wenn die Interessen späterer Generationen nicht berücksichtigt werden, führt das zu Misstrauen und der Prozess scheitert. Dass top-down Entscheidungen misslingen können, haben wir durch Gorleben erlebt. Es geht darum, es nun besser zu machen.

Auf der dritten Fachkonferenz im August 2021 stellten wir – die junge Generation – einen Antrag für einen Rat der jungen Generation. Mit dem Rat wollen wir die Bedürfnisse junger Menschen und unserer Kindeskinder im zukünftigen Prozess vertreten. Demokratie kostet verdammt viel Zeit. Wir hatten in den Wochen vor den Konferenzen jeden Tag teils mehrstündige Meetings. Aber dies hat in der Gruppe sehr viel Spaß gemacht und war es auch wert. Unser Antrag wurde angenommen. Bis Jahresende erarbeiten wir nun Grundsätzliches wie eine Satzung. Mit der Verantwortung, die wir als Rat der jungen Generation haben werden, steigen auch die Anforderungen an uns und unser Bestreben nach Mitgestaltung wächst zugleich. Die Gefahr besteht jedoch, dass durch alte, hierarchische Strukturen in den Behörden die notwendigen Mittel und Maßnahmen nicht rechtzeitigt zur Umsetzung kommen – etwa das Erstellen einer E-Mail-Adresse oder Website – und so unsere Beteiligungsmöglichkeit aus strukturellen Gründen blockiert wird.

Junge Generation und Endlagersuche

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) möchte junge Menschen einbinden in die Standortsuche für ein Endlager. Das BASE veranstaltete bereits verschiedene Veranstaltungen für diese Zielgruppe. Weitere Infos gibt es auf der Infoplattform der BASE. Zur Website geht es hier.

Unter folgender E-Mail-Adresse kann das Aufbau-Team des Rates der jungen Generation erreicht werden: rdjg-endlagersuche@gmx.de

Unser Ziel ist es auch gesetzlich legitimiert zu werden, also dass der Rat der jungen Generation im Standortauswahlverfahren festgeschrieben wird. Erst dann denke ich, können wir unsere volle Wirkkraft entfalten. Wir wollen uns gemeinsam in den Standortprozess einbringen und mitwirken, um den Prozess erfolgreich zu beenden.

Der Prozess und die Möglichkeit der Partizipation sind einmalig in Deutschland. Das gibt es in der Art in keinem anderen Land. Allerdings ist auch die Vorgeschichte in Deutschland einmalig. Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen und verhärtete Fronten, da in der Vergangenheit viel Vertrauen verspielt wurde. Es ist nun eine Generationenaufgabe. Wir sprechen von einem Sicherheitszeitraum von einer Millionen Jahre. So lang muss der hochradioaktive Abfall unter der Erde mit der größtmöglichen Sicherheit, eingelagert werden.

2019 wurde ich erstmals aufmerksam auf den Standortauswahlprozess und beteiligte mich an Workshops vom BASE (Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung), NBG (Nationales Begleitgremium) und BGE (Bundesgesellschaft für Endlagerung), wo es darum ging, wie die Jugend eingebunden werden kann. Die Thematik passt zu meinem Studiengang Geoumwelttechnik mit dem Schwerpunkt „Management und Endlagerung radioaktiver Abfälle“. Ich brachte Vorwissen mit und fand es faszinierend mich mit anderen Menschen dazu auszutauschen. Als angehender Ingenieur merkte ich, dass es Ängste und Sorgen gibt, die ich noch gar nicht auf dem Schirm hatte und ich lernte neue Perspektiven kennen. Außerdem merkte ich: Es gibt viel Nachholbedarf bei der Jugendbeteiligung. Bei diesen Angeboten erhielt ich einen Einstieg in das Thema Beteiligung und Mitsprache. Der Austausch mit BASE, NBG und BGE war angenehm – auf Augenhöge und per „du“. Das war sehr erfrischend.

Davor war ich noch nicht ehrenamtlich aktiv. Mich faszinieren an dem Prozess der lange Zeitraum, die Geologie und die Verantwortung. Ebenso die Technik, die gesellschaftlichen Debatten und das Trans-Disziplinäre.  

Allerdings ist es noch nicht ganz angekommen, dass wir als junge Erwachsene selbst gestalten wollen, Kritik haben und diese vorbringen und verlangen, dass man auf uns eingeht. Dieser Prozess muss mit und in der Gesellschaft ablaufen. Die älteren Generationen können sich nicht allein “unterhalten”. Für einen erfolgreichen Ausgang ist es wichtig, dass die ganze Gesellschaft - wir alle - die Entscheidung mitträgt. Das benötigt eine breite Partizipation.

Es gibt durchaus Beteiligte, die uns ernst nehmen, uns fördern in der Diskussion und auf Augenhöhe mit uns reden. Bei anderen wünsche ich mir, dass sie uns einmal fragen: „Wie seht ihr das denn?“ Manche denken, wir seien nur junges, hübsches Beiwerk ohne Relevanz. Ich wünsche mir, dass wir stärker wahrgenommen werden, dass Leute auf uns eingehen und so ein stärkeres Miteinander entsteht im Sinne der jungen bzw. zukünftigen Generation. Das Thema geht uns alle an! Für unseren Antrag für den Rat der jungen Generation haben uns viele Leute aus der Arbeitsgruppe Vorbereitung, vom BASE oder BGE unterstützt. Dafür sind wir dankbar!

Zoom-Bild von einem Workshops für die Jugendbeteiligung von der BASE
Das Zoom-Bild ist bei einem der Workshops für Jugendbeteiligung von der BASE entstanden.

Generell verspüre ich von einigen im Prozess beteiligten Leuten eine ablehnende Haltung gegenüber den Behörden und Institutionen aus den Erfahrungen der Vergangenheit. Auch die Behörden haben teils Misstrauen gegenüber Vereinen und Aktivist:innen. Ich finde hier werden alte Grabenkämpfe ausgetragen und der eigentliche Fokus geht verloren. Einige wollen partout nicht von ihren Standpunkten abrücken. Manche nehmen auch die Möglichkeit des Austausches nicht wahr. Es ist nicht produktiv, wenn man sich gegenseitig auf der persönlichen Ebene angreift. Doch wofür machen wir das? Für unsere Kindeskinder und deren Kinder. Sie sollen keine negativen Folgen für etwas tragen, was nicht in ihrer Verantwortung lag. Das ist der Punkt! Die drei Fachkonferenzen in den letzten eineinhalb Jahren haben viel erreicht: Es wird miteinander geredet. Es wird immer mehr ein „wir“ als ein „du“ und „ihr“ - jedoch mit Potenzial nach oben.

Jung zu sein hat den Vorteil, bei der Thematik unbelastet und offener zu sein, vielleicht manchmal objektiver. Der Nachteil: Viel Wissen und Erfahrung fehlen. Etwa die Erfahrung, dass es schief gehen kann. Es ist etwas anderes, ob ich etwas selbst erlebt habe oder es nur aus einem Geschichtsbuch erfahre. Wir jungen Leute sind jedoch reflektiert genug, zu erkennen, wenn etwas schiefläuft oder Verbesserungsbedarf besteht. Das ist keine Frage des Alters. Dass junge Menschen politisch und gesellschaftlich etwas bewegen können, zeigt etwa auch “Fridays for Future“. Dies muss bei einigen Leuten noch ankommen. Wir wollen etwas erreichen und können das auch.

Derzeit beteiligen sich zu wenig junge Menschen im Suchprozess. Wir sind jetzt sieben, die sich im Rahmen des Rates der jungen Generation für die Interessen und Bedürfnisse der jungen Menschen einsetzen.

Oft werden wir belächelt. Aber wir sind alle sehr engagiert. Wir freuen uns über neue Mitstreiter:innen, dann steigt auch unsere Legitimität. Es ist dringend Werbung notwendig, um junge Erwachsene und Jugendliche zu erreichen. Das Thema ist nicht nur wichtig für uns, sondern für alle Menschen, die noch kommen. Es geht nicht um eine Legislaturperiode, eine Firmengeschichte, sondern um Maßstäbe, die wir uns gar nicht vorstellen können. Dafür wollen wir Verantwortung übernehmen und setzen uns für die Umwelt in tausenden von Jahren ein. Die Möglichkeit, sich einzubringen, sollten wir nutzen. Man braucht kein Fachwissen mitzubringen, nur den Willen es sich anzueignen und etwas bewegen zu wollen.

Das Wording des Prozesses ist für Menschen, die sich neu mit der Thematik beschäftigen nicht optimal, viel Fachwörter und Institutionen und langweilig klingende Namen von Arbeitsgruppen. Dahinter verbirgt sich aber nichts Trockenes oder Langweiliges. Das großartige ist:

Jeder und jede kann sich beteiligen, sich einbringen. Und davon braucht es mehr! 

Auch mein Masterstudiengang „Management und Endlagerung radioaktiver Abfälle“ in Clausthal scheint für wenige attraktiv zu sein. Einige glauben sogar, wir bauen neue Kernkraftwerke und wollen die Kernkraft vorantreiben. Im Gegenteil: Wir kümmern uns um den daraus resultierenden Abfall. Wir wollen durch eine möglichst sichere Lagerung die Umwelt schützen, damit der radioaktive Abfall in Zukunft keine unverantwortliche Gefährdung darstellt. Es ist derzeit der einzige Studiengang in diesem Fachbereich in Deutschland und ihn wird es voraussichtlich bald nicht mehr geben. Das ist schade. Dadurch bricht eine Bildungsmöglichkeit für diese ganz spezielle Thematik in Deutschland weg und somit auch potentielle objektive Sichtweisen. Im Bachelor studierte ich “Umweltanalyse und Umweltmonitoring” in Dresden. Der Master zu radioaktiven Abfällen sagte mir zu, da er neben des Umweltaspekts eine technische Komponente hat, angewandt ist und einmalig ist.

Wir brauchen junge Menschen im Endlagersuchprozess. Sie müssen wahrgenommen werden, sie müssen auf offene Ohren stoßen und unterstützt werden. Diskussionen müssen auf Augenhöhe stattfinden, es muss Anlaufstellen für Informationen geben. Das ist jetzt das entscheidende! Es geht um unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder, aller Kinder und unsere Kindeskinder.

Insgesamt habe ich durch den bisherigen Prozess Vertrauen gewonnen, weil die Gesellschaft mit einbezogen wird und verschiedene Meinungen zu Wort kommen. Das stimmt mich positiv. Würde am Ende das Ergebnis stehen, dass das Endlager neben meinem Haus entsteht, würde ich es voll und ganz akzeptieren, da ich momentan genug Vertrauen habe, dass es die sicherste Lösung für den Umgang mit den hochaktiven Abfällen wäre. Eine Lösung, die partizipativ und transdisziplinär entstanden ist. 

Marcus Frenzel wurde 1991 in Dresden geboren und ist in Radeberg aufgewachsen. Von 2011 bis 2016 studierte er “Umweltanalyse und Monitoring” in Dresden. Er schloss den Masterstudiengang “Management und Endlagerung radioaktiver Abfälle“ an der Technische Universität Clausthal in Niedersachsen an. Derzeit schreibt er an seiner Masterarbeit zum Thema Human Intrusion”. 

 

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