Die internationale Umweltversammlung UNEA-6 hat deutlich gemacht, wie wichtig multilaterale Prozesse im Kampf gegen die dreifache planetarische Krise sind. Gleichzeitig wurde erneut klar, wo ihre Schwächen liegen.
Vom 26. Februar bis 1. März fand in Kenias Hauptstadt Nairobi die 6. UN-Umweltversammlung (UNEA-6) statt. Mit 7.000 Delegierten aus 190 Ländern sowie Vertreter*innen Indigener Völker, internationaler Organisationen, der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und dem Privatsektor war es der bisher größte und laut UNEA-6 Präsidentin Lea Benali auch der inklusivste Gipfel. Unter dem Thema "Effektive, inklusive und nachhaltige multilaterale Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, des Artenverlusts und der Umweltverschmutzung" sollte die dreifache planetarische Krise adressiert werden. Die Themenbreite der von den Mitgliedstaaten eingebrachten 19 Resolutionsentwürfe reichte von Umweltaspekten kritischer Mineralien und Metallen und dem sorgfältigen Umgang mit Chemikalien, Abfällen sowie hochgefährlichen Pestiziden, über den stärkeren Schutz von Ozeanen und Böden bis hin zur Unterstützung für von bewaffneten Konflikten betroffene Gebiete.
Auch wenn UNEA-Verhandlungen oft langwierig sind, so war die UNEA-6 besonders zäh. Während der einwöchigen Sitzung des Offenen Ausschusses der Ständigen Vertreter (OECPR), die der UNEA-6 vorausging, wurde kein einziger Text angenommen. Nur zehn Resolutionen wurden bis Mittwoch der zweiten Verhandlungswoche vom Gesamtausschuss gebilligt, so dass die übrigen Entwürfe nur zwei Tage vor der abschließenden Plenarsitzung noch immer in der Schwebe hingen. Die UNEA-6 wurde zu einem atemlosen Marathon, bei dem nach nächtlichen und zum Teil verlängerten Verhandlungen schließlich 15 Resolutionen, zwei Beschlüsse (zu Treuhandfonds und UNEA-7) und eine Ministerialerklärung verabschiedet wurden. Einige Resolutionsentwürfe scheiterten nach tagelangem Ringen, wie der zu Kreislaufwirtschaft und der zu Klimagerechtigkeit, während der von der Schweiz eingebrachte Vorschlag zu Solar Radiation Management nach kontroversen Diskussionen zurückgezogen wurde. Im Folgenden schauen wir uns dieses sowie die Themenbereiche Plastik, Kreislaufwirtschaft und Bergbau etwas genauer an.
Solares Geoengineering
Bei der diesjährigen UNEA6 unternahm die Schweiz einen zweiten Anlauf, das Thema Geoengineering und seine Governance auf die internationale Agenda zu setzen. Ein erster Versuch bei der UNEA-4 in 2019 war gescheitert, u.a. am Widerstand einiger ölproduzierender Länder, darunter die USA und Saudi-Arabien. Der diesjährige Resolutionsvorschlag der Schweiz sah vor, ein Expert*innengremium unter dem UN-Umweltprogramm (UNEP) einzurichten, das Informationen zu den riskanten Technologien des solaren Geoengineerings zusammentragen sollte. Der Vorschlag einer internationalen Expert*innengruppe rief bei zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Regierungen Sorgen hervor, dass in dieser Gruppe auch vor allem Befürworter*innen von solarem Geoengineering vertreten sein würden, da diese die wissenschaftliche Forschung in dem Feld dominieren, und dass die Einrichtung einer internationalen Expert*innengruppe auf UN-Ebene somit dazu führen könnte, solares Geoengineering zu legitimieren und zu normalisieren.
Als zentrale Akteurin stelle sich bei der diesjährigen UNEA eine Gruppe von afrikanischen Verhandler*innen heraus, die eine differenzierte Kritik an dem Schweizer Vorstoß sowie gleichzeitig die klare Notwendigkeit eines Solar Geoengineering Non Use Agreements artikulierten. Die beiden afrikanischen Co-Sponsoren der Schweizer Resolution, Senegal und Guinea, zogen ihre Unterstützung für die Resolution zu Beginn der Verhandlungen zurück. Die afrikanische Position wurde auch von anderen Ländern des globalen Südens unterstützt, darunter lateinamerikanische Länder wie Mexiko und Kolumbien, aber auch die pazifischen Inselstaaten Fiji und Vanuatu. Grundsätzlich kritisch positionierten sich auch die EU und andere europäische Regierungen. Jenseits der UNEA hatten sich die Afrikanischen Umweltminister*innen und das EU-Parlament 2023 für ein Solar Geoengineering Non Use Agreement ausgesprochen. Auf der anderen Seite setzte sich wiederum eine Gruppe unter der Führung von USA und Saudi-Arabien dafür ein, die kritischen und restriktiven Elemente der Resolution abzuschwächen und zu verwässern.
Wie schon 2019 konnte die Schweiz auch 2024 keinen Konsens zum solaren Geoengineering erzielen und musste die Resolution nach langen und kontroversen Diskussionen zurückziehen. Im Vergleich zu 2019 waren jedoch viel mehr Regierungen, insbesondere aus dem globalen Süden, an den Debatten und Verhandlungen beteiligt und insbesondere die afrikanische Verhandlungsgruppe - mit Djibouti in zentraler Rolle - trat mit starken Positionen gegen solares Geoengineering auf. Die Idee und Forderung eines Non-Use Agreement zu solarem Geoengineering war bei der UNEA-6 so sichtbar wie in keinem UN-Gremium zuvor; die Notwendigkeit einer solchen restriktiven Regulierung auf internationaler oder regionaler Ebene wurde durch die Diskussionen, die die Schweizer Resolution angestoßen hatte, viel deutlicher und klarer. Nun gilt es, dieses Momentum zu nutzen und ein solches Non-Use Agreement für solares Geoengineering auf den Weg zu bringen.
Plastik
Die häufige Erwähnung der Plastikkrise und der Plastikverschmutzung auf allen Ebenen zeugte davon, dass die Dringlichkeit des Themas angekommen ist. Die UNEA-Resolution 5/14 von 2022 sieht die Schaffung eines weltweit verbindlichen Abkommens zur Beendigung der Plastikverschmutzung bis Ende 2024 vor, das vom Intergovernmental Negotiating Committee (INC) nach noch zwei verbleibenden Verhandlungsrunden verabschiedet werden soll. Trotzdem versuchten einige Länder auf der UNEA-6, die bereits vereinbarten Formulierungen der Resolution abzuschwächen, indem sie versuchten, die Ambitionen erneut zu reduzieren und den Zusammenhang zwischen Chemikalien und der Klimakrise zu leugnen. Iran beispielsweise lehnte den Begriff „ambitioniert“ im Zusammenhang mit Plastik rundheraus ab. Zahlreiche andere Mitgliedsstaaten kritisierten allerdings, dass u.a. der Begriff „full life-cycle“, (gesamter Lebenszyklus) nicht in die Ministerialerklärung aufgenommen wurde und man somit hinter bereits vereinbarte Formulierungen zurückfiel. Immerhin wurde die Verpflichtung bekräftigt, sich weiterhin konstruktiv, aktiv und mit Dringlichkeit und Solidarität in den laufenden Verhandlungen zu einem Plastikabkommen im Einklang mit der Resolution 5/14 der Umweltversammlung zu engagieren.
Die globale zivilgesellschaftliche #Breakfreefromplastic Bewegung verfolgte die Diskussionen vor Ort und engagierte sich stark für ambitioniertere Zusagen. So wertete CIEL die Bekräftigung des Mandats auf der UNEA-6 als wertvolle politische Botschaft angesichts der andauernden Versuche seitens der USA und der Ölstaaten, die ambitionierten Ziele des Plastikabkommens mit allen Mitteln aufzuweichen und zeigt sich wenig überrascht, dass dieselben Mitgliedstaaten, die daran arbeiten, die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen, durch die Hintertür versuchen, das Mandat des INC neu auszuhandeln. Ana Rocha von der Organisation GAIA sagte: „Die UNEA-6 war ein deutliches Beispiel für die politische Komplexität und das Ungleichgewicht in der Welt. Aber wir verlassen Nairobi mit der Hoffnung, dass die bevorstehende vierte Verhandlungsrunde in Kanada uns auf dem Weg zu einem ehrgeizigen Plastikabkommen voranbringen wird." Mit Blick auf die Beteiligung Indigener Gruppen, die unverhältnismäßig stark von den schädlichen Auswirkungen der fossilen, petrochemischen, agrochemischen und chemischen Industrie betroffen sind, stellt Frankie Orona, Direktor der Society of Native Nations, fest: „Wenn es darum geht, die Stimmen von Indigenen Völkern, frontline communities und Arbeitnehmer*innen einzubeziehen, beobachten wir erneut eine ungleiche Behandlung. Die Probleme in unseren betroffenen Gemeinschaften sollten nicht nur als Gesundheits- und Umweltproblem betrachtet werden, sondern vielmehr als Menschenrechtsproblem."
Kreislaufwirtschaft
Direkt vor der UNEA-6 traf sich auch das International Resource Panel, ein vom UN-Umweltprogramm beauftragtes Expertengremium für Ressourcen. Sein neuer Bericht, der Global Ressource Outlook 2024, wurde auf der UNEA-6 veröffentlicht und spricht klare Worte: In den letzten fünfzig Jahren hat sich die globale Bevölkerung verdoppelt, die Nutzung der natürlichen Ressourcen jedoch verdreifacht. Die Extraktion und die Weiterverarbeitung natürlicher Ressourcen trägt zu 90 Prozent zum Verlust von Biodiversität und zum Wasserstress bei, und somit auch massiv zu den negativen Auswirkungen auf unser Klima. Dieser Trend muss umgekehrt werden. Bei einem „Weiter wie bisher“ wird sich der Ressourcenverbrauch bis 2060 weiter verdoppeln und irreversible Schäden verursachen. Sehr deutlich macht der Bericht auch: einkommensschwache Länder verbrauchen sechs Mal weniger Material und verursachen zehn Mal weniger Klimaauswirkungen als reiche Länder.
Diese dramatische Realität kam allerdings kaum in den Verhandlungen an. Eingebracht wurden verschiedene Resolutionsentwürfe, die sich mit den Auswirkungen des Ressourcenkonsums befassen. Einer davon griff direkt eine vom International Resource Panel vorgeschlagene Lösung auf, die Kreislaufwirtschaft. Auch wenn Kreislaufwirtschaft nicht allein den Ressourcenkonsum senken kann, so ist es doch ein wichtiger Ansatz, um den Ressourcenkonsum zu reduzieren. Der von der EU eingebrachte Resolutionsentwurf nahm verschiedene Sektoren in den Blick und berücksichtige richtigerweise die Kreislaufwirtschaft in ihren verschiedenen Stufen. Doch er traf bei vielen Staaten auf wenig Zustimmung. Der Text wurde nicht als inklusiv wahrgenommen und nicht zuletzt führten geopolitische Spannungen dazu, dass die Resolution nicht zur Annahme weitergeleitet wurde und es zu keinem Ergebnis kam. Eine traurige Bilanz, die im starken Kontrast zum ausdrücklich benannten Handlungsdruck des International Resource Panels steht.
Bergbau
Ein weiterer Resolutionsentwurf, u.a. von der Schweiz, Armenien und Senegal vorgelegt, beschäftigte sich mit den Umweltauswirkungen von Mineralien und Metallen. Er folgte auf einen nach der UNEA-5 gestarteten zweijährigen, zwischenstaatlichen regionalen Konsultationsprozess. Der Resolutionsentwurf nahm konkrete Empfehlungen aus diesem Prozess auf, so beispielsweise die Erstellung einer Studie, die verschiedene gesetzliche und freiwillige Ansätze im Bergbausektor untersucht und eine zeitlich unbefristete Arbeitsgruppe, die sich mit verschiedenen Umweltaspekten des Bergbaus beschäftigt und Empfehlungen erarbeitet. Der Resolutionsentwurf betonte außerdem die Wichtigkeit Indigener Rechte, das Recht auf eine gesunde, saubere und nachhaltige Umwelt sowie die Notwendigkeit, die Abhängigkeit von Metallen über die Veränderung von Konsummustern zu reduzieren. Darüber hinaus wurden Vorsichtsmaßnahmen zu Tiefseebergbau erwähnt. Diese Empfehlungen aus dem Konsultationsprozess wurden in Nairobi jedoch erneut hinterfragt. Einzelne Staaten schienen dezidiert kein Interesse an einem Ergebnis zu haben und hielten durch wiederholte Verfahrensfragen den Prozess auf. Nachdem die Resolution daraufhin zu scheitern drohte, einigte man sich am Ende auf einen stark reduzierten Kompromiss. Von den Handlungsaufforderungen des Entwurfs blieb nur wenig Konkretes zu den Umweltaspekten von Mineralien und Metallen zurück, so zum Beispiel die Einrichtung eines digitalen Knowledge-hubs für bestehende relevante Praktiken, Kapazitätsaufbau mit Fachleuten aus jeder Region sowie die verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten dazu in politischer, technologischer, technischer und wissenschaftlicher Hinsicht. Die unbefristete Arbeitsgruppe, Referenzen zu Indigenen Rechten und Maßnahmen zum Tiefseebergbau wurden gestrichen. Nichtsdestotrotz bestätigt die Resolution, wie wichtig es ist, dass das Thema weiterbearbeitet und erneut Gegenstand zwischenstaatlicher Kooperation wird. Auf der UNEA-7 Ende 2025 sollten dann nächste Schritte gegangen werden.
Multilateral gegen die multiple Krise?
Ein wichtiges neues Element der UNEA-6 war der Tag der Multilateralen Umweltabkommen (MEAs). Damit wurde die UNEA als höchstes umweltpolitisches Entscheidungsgremium der Vereinten Nationen auch einer weniger maßgeblichen, aber offensichtlicheren Rolle gerecht: Raum für Dialog zu schaffen und sowohl bestehende als auch neue Umweltthemen auf den Tisch zu bringen. Da jedes multilaterale Übereinkommen seine eigene Vertragsstaatenkonferenz (COP), sein eigenes Verwaltungssystem und -verfahren sowie seine eigenen Ziele hat, verfügen nur die Übereinkommen von Basel, Rotterdam und Stockholm (BRS) über einen eigenen institutionellen Raum für die konventionsübergreifende Zusammenarbeit. Daher bot die Tatsache, dass alle MEAs unter dem UNEA-Dach in Nairobi versammelt waren, eine seltene Gelegenheit für umfassende Diskussionen und die Identifizierung von Querschnittsthemen. Die Erkenntnis, dass die Umweltkrisen miteinander verbunden sind und nicht in Silos angegangen werden können, muss auch für die Lösungen gelten. Dabei ist die UNEA in der einzigartigen Position, Verbindungen und Synergien zwischen den MEAs zu schaffen und gemeinsame Lösungssätze für die dreifache Krise – Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt und Umweltverschmutzung – zu formulieren. Sie muss ihre wachsende Präsenz und Bedeutung in der Landschaft der multilateralen Instrumente und Foren genau dafür nutzen.
Trotz der wachsenden Dringlichkeit der Krise und aller Bemühungen konnte UNEA-6 nicht an die als ein „Fest des Multilateralismus“ gefeierte UNEA-5.2 von 2022 heranreichen. Einige der Resolutionen waren von Anfang an schwach, bevor sie im Bemühen um Konsens noch weiter verwässert wurden. Wenige Resolutionen präsentierten neue Ideen oder hatten einen starken Mehrwert. Die meisten betrafen zudem Themen, die bereits früher verhandelt worden waren, zum Teil bereits auch in spezifischen multilateralen Umweltabkommen. So sind manche Ergebnisse der UNEA-6 bestenfalls unzureichend, andere machten in wichtigen Fragen gar Rückschritte: Die Resolution zu Synergien ist beispielsweise schwächer als die Formulierung in der UNEA-2-Resolution zur Erleichterung von Kooperation, Zusammenarbeit und Synergien zwischen den Übereinkommen zur biologischen Vielfalt. Offensichtlich war auch der starke Kontrast zwischen mutigen Erklärungen, deutlichen Warnungen und entschlossenen Aufrufen zum Handeln während des hochrangigen Segments und dem relativ niedrigen Anspruchsniveau der Resolutionen und der Ministerialerklärung.
Einerseits zeugen die gescheiterten Resolutionen und verwässerten Texte von wachsendem Misstrauen unter den Mitgliedstaaten und Interessengruppen sowie einer allgemeinen Enttäuschung über die multilateralen Prozesse. Andererseits zeigte das Maß an Kompromissen, beispielsweise in der stark umstrittenen Ministerialerklärung und der einvernehmlichen Annahme der Resolution über Umwelthilfe und Wiederaufbau in von bewaffneten Konflikten betroffenen Gebieten trotz heftiger geopolitischer Auseinandersetzungen, aber auch, dass der Multilateralismus noch lebendig ist. Die wirksame und zeitnahe Umsetzung bestehender multilateraler Umweltabkommen und Resolutionen ist und bleibt jedoch entscheidend - ohne sie wird die Verabschiedung weiterer Instrumente wenig zur Bewältigung der planetarischen Krise beitragen.